priest Stanislaw

Stanisław Barszczak, Sondern eines Tages einfach so abtreten zu können Ich bin auf der Durchreise in Krakau auf die Welt gekommen, denn meine Mutter war auf dem Weg nach Ząbkowice. Ich habe mich dann, wie ich glaube, so ein bisschen selbst entscheiden können, wo ich mich zu Hause fühle. Heimatliche Gefühle habe ich nach Dąbrowa Górnicza, aufgewachsen bin ich in der Nahe von Katowice mit dem schlesichen Dialekt. Dann kam ich nach Czestochau, habe dort die Literatur erlernt und bin dann zum Studium nach Krakau gegangen. Von Krakau weg hat man mich dann nach Czestochau engagiert. Es war aber Zufall, dass ich dann im Jahr 1990 wieder in Krakau gelandet bin. Denn in Ząbkowice bin ich groß geworden bzw. ich hab zumindest meine ersten Jugendjahre dort verbracht, und bin auf insgesamt acht Schulen gekommen, in denen ich gewesen bin. Meine Mutter war immer wieder woanders – eigentlich so ein bisschen ein zigeunerhaftes Leben geführt. Und das Kind musste dann eben wohl oder übel mitziehen. So kam das – und nicht, weil ich immer sitzen geblieben ware… Daran hatte ich noch nicht einmal gedacht. Mein Vater war Professor und deswegen war er so viel unterwegs. Ich bin da wohl durch meine Kindheit geprägt worden. Freundschaften schließt man als junger Mensch sehr schnell. Schulkameraden sind entweder immer Freunde oder immer Feinde: Das hält sich die Waage. Man muss sich als Kind eben anpassen können: Man muss den Dialekt der anderen Kinder sprechen können! So lange man nicht ihren Dialekt spricht, ist man ein Außenseiter und wird gehänselt. Ich konnte jedenfalls immer recht schnell die verschiedenen Dialekte nachahmen – auch schon mit zehn Jahren. Denn im Alter von neun und dreißig Jahren bin ich nach Franken gekommen. Warum denn das? Ich selbst kam von Paris weg, als ich in Ząbkowice zu meiner Mutter gehen musste, weil sie wollte, dass ich in eine Pfarrei gehe. Daher kam ich zu der Mutter nach Ząbkowice. Das war der Grund. Ich hab eine Familie in Przemyśl. Wir waren keine solche Familie, in der sich immer alles im Familienkreis abgespielt hätte. Wir waren eigentlich Globetrotter, wie man heute sagen würde. Und ich habe das schon damals als positiv empfunden? Ja, immer wieder was Neues! Ab meinem fünftzehnten Lebensjahr war ich dann jedenfalls in Czestochau, wo ich auch mein Abitur gemacht haben. Nachdem ich dort das Abitur in der Tasche hatte, wusste ich noch nicht so genau, wohin es jetzt gehen sollte und wollte erst einmal die Technischewissenschaften zu studieren. Dann ging ich nach Krakau, wo ich die Theologie studierte. Wie ich schon gesagt habe es war schwierig einen Beruf zu finden, der passte. Mir schwebte natürlich das Theologie vor, denn ich hatte schon vor dem Abitur damit angefangen Sprech- und Gesangsunterricht zu nehmen. Noch während der Zeit am Gymnasium habe ich eine Rolle gespielt an der Bühne. Da war der Weg eigentlich schon ein bisschen vorgezeichnet. Wohin mich dieser Weg aber genau führen sollte, das wusste ich nicht: ob auf die Regieseite, ob auf die Darstellerseite, ob in den gesanglichen oder in den schauspielerischen Bereich. Für mich war das völlig offen. Es war dann aber so, dass mich das Studium einfach nicht mehr fasziniert hat. Das war mir einfach zu theoretisch: Ich wollte in die Praxis! Und deswegen bin ich dann mitten drin aus dem Studium ausgestiegen und direkt an der Kirche gegangen. Die Sängerkarriere war jedenfalls ganz schnell beendet. Warum? Weil ich keine Höhen hatte! Als Sänger braucht man, wenn man im klassischen Fach, also in der Oper oder in der Operette, singen möchte auch Höhe. Die Tiefe kann selbst der Bassist nur ab und zu nutzen: Er geht höchstens mal runter auf das tiefe C, aber dann ist auch schon wieder Schluss. Ich kam zwar runter bis aufs F, d. h. also noch unter das C, aber oben hat es bei mir leider schon beim C aufgehört, obwohl man oben bis zum F kommen müsste. Was aber macht man mit einem Sänger, der keine Höhe hat? Für dieses Spektrum gibt es wohl einfach zu wenig Rollen. Dafür gibt es nicht eine einzige Partie! War das eine Enttäuschung für mich? Nein. Ich habe nämlich auch beim Schauspieltheater sehr schnell gemerkt, dass es wesentlich Begabtere als mich gibt. Ich habe deswegen durchaus immer daran gezweifelt, ob das wirklich der richtige Beruf für mich ist, den ich da einschlagen möchte. Aus diesem Grund bin ich dann auch zunächst einmal in die Philosophie gewechselt und habe in Krakau eine Treffen mit Professor J. Tischner inszeniert…Priestertum, das ist noch keine Karriere, weil da habe ich Stellvertreter Christi auf Erden zu sein. Das war eigentlich sehr schön: das Treffen der Philosophie in Krakau, Anreise der Mutter an die ersten Gemeinden, zu Hause in Zabkowice und in dem Seminarhaus zu bleiben. Viele Male wurde mir vom Direktor unseren Haus eine Treffen angeboten, die nachts lief. Ich bin doch überall auf der Straße erkannt worden. Ich habe eine Produktion für Weihnachten gerichtet “polnische Jasełka”. Ich war angestellt beim Funk und habe frei am Theater mitgemacht. Das hätte mir auf Dauer gefallen können, aber das hat sich dann letztlich nicht vereinbaren lassen. Dann ich habe sich einfach gedacht, “Ich stürze mich da jetzt rein!”, und es ist mir gelungen. Nun ja, mir lag das nicht im Blut, sondern ich hatte einfach den Willen zur eigenen Gestaltung, zur eigenen Sprache. Das wollte ich umsetzen und nicht mehr nur das vorlesen, was andere geschrieben haben. Diese Dinge selbst zu gestalten, das war mein Impetus. Ich begann ernsthaft für Schubkästen im Jahr 1995 schreiben, bevor es wurde eine Notiz in meinem Kalender, vorgeschriebene Texte im Seminar, einige Gebete und Predigten. Ich habe geschrieben, welche Gedanken ich zu den einzelnen Monaten habe. Aber sonst könnte ich kein Lieblingswetter beschreiben. Ich weiß es nicht. Ich mag auch Wolken und schaue ihnen zu und denke mir dabei irgendwelche Dinge aus oder sehe manchmal auch Bilder in den Wolkenformationen. Mich stören Wolken nicht, ich brauche nicht permanent blauen Himmel. Mich stört auch der Regen nicht. Ich weiß daher gar nicht, was meine ideale Wettersituation wäre. Es bedeutete ja sicher viel für meine persönliche Entwicklung, dass ich die Freiheit hatte, über meine eigenen Grenzen hinauszuwachsen. Einmal war ich beim Skifahren in Bielsko Biała… Das war schon ein großer Sprung. Die Verantwortung war größer, die Angst war größer. Ein Freund von mir sagte zu mir: “Mach das nicht!” Als ich dann wieder aufgehört habe damit, hat er zu mir gesagt: “Mein Gott, du solltest das weitermachen, weil dich das unglaublich populär gemacht hat!” Das war also kein großer Sprung in dem Sinne: weder hinaus noch hinunter. Stattdessen war das einfach ein neues Metier, das mich gereizt hat. Und dazu habe ich selbst ja auch sehr beigetragen, schon alleine durch meine Stimme und durch meine Ausstrahlung. Das wirkt einfach entspannend. Ich haben soeben schon erzählt, was ich im Moment mache. Ich toure mit einem großen Reisetasche durch Westen der Vereinigten Staaten, America West. Dabei gibt es auch Lesungen. Ich möchte in diesem Zusammenhang etwas zitieren, das für mich vielleicht ein wichtiges Lebensmotto geworden ist: “Wer die Tage seines Lebens nicht auf der Bühne der Träume verbringt, wird ein Sklave der Zeit sein.” Das ist ein Spruch von Khalil Gibran, einem von mir sehr verehrten Schriftsteller. Dieser Spruch bedeutet, dass wir im täglichen Leben leider verlernen, unsere Phantasie zu gebrauchen. Aber wir brauchen sie, den ein Wissenschaftler muss ja z. B. auch Phantasie haben, um hinter die Dinge zu kommen: Er muss sich, wenn er etwas noch nicht genau weiß,vorstellen können, wie etwas sein könnte. Er braucht also Phantasie. Wenn wir ein Buch lesen, dann sehen wir während des Lesens die Gestalten in diesem Buch, wie wir sie sehen wollen. Jeder Leser sieht diese Gestalten natürlich anders. Das Gleiche gilt aber auch z. B. für die Räume, in denen dieser Roman spielt. Welche Tagträume habe ich bezüglich meiner Zukunft? Was möchte ich noch erreichen, nicht nur im Tagtraum, sondern vielleicht ganz real? Das einzige Reale, das ein Mensch mit 50 Jahren hat, ist, dass er gesund bleiben möge. Denn nur als gesunder Mensch kann man das Leben selbst bestimmen. Ich kann mich bewegen, ich kann denken – das alles sind Funktionen, die man braucht, um das Leben lebenswert zu finden. Wenn diese Funktionen eingeschränkt warden… Gut, mit dieser Einschränkung kann man sehr wohl auch fertig werden, aber trotzdem hat man natürlich den Wunsch, so etwas nicht erleben zu müssen, sondern eines Tages einfach so abtreten zu können – von mir aus auch auf der Bühne, denn das wäre doch ein wunderschönes Ende.

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