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Stanislaw Barszczak, Wir werden niemals Profispieler sein

Ich möchte meine Zeit und tatsächlich einen Moment Zeit für Polen sparen. Herr Boris Johnson spricht sich gegen die von der Europäischen Union Großbritannien auferlegte Fremdheit aus. Wenn wir in der Union bleiben, steht unsere Demokratie auf dem Spiel, sagte er. Lassen wir unsere Angst, er würde mehr sagen … Mit anderen Worten, ich bin tot und sage mir nicht, Adieu, dass ist moglich? In der öffentlichen Debatte ist mir die Stimme entzogen, ich habe nicht vor, hier statt bestimmter Autoritäten zu sprechen, aber ich habe nie versucht, einen spirituellen Dialog über unsere polnischen Themen aufzunehmen. Wir werden niemals Profispieler sein, vielleicht jemand – sondern nur ein unzuverlässiger Quacksalber. Wir gehen nicht zu weit. Ist das Angst? Wie Sie immer noch wissen, die Promeda-Engländer in Nizza wie ein zerrissenes Papier aus meinem Leben sei. Ich laufe ständig, es ist wundervoller wie neue Liebe, denke ich. In meinem Leben hatte ich zwei Seelen, die erste trieb mich in die Welt, um sie mit eigenen Augen zu sehen, und die zweite, um so viel wie möglich in meinen eigenen Worten darüber zu erzählen. Freunde haben viele meiner Geschichten gekannt. Dann habe ich vor 25 Jahren angefangen zu schreiben. Ich empfand es als eine Notwendigkeit, dass wir eine Geschichte brauchten, um im Ozean der Zeit zu sein. In Polen sollte eine orientalische Regel gelten: Wenn Sie ins Ausland gehen und dort Schriftsteller werden, müssen Sie entweder schnell sterben, und dann werden die Bücher sofort gedruckt, und in jedem Dorf gibt es eine kurze Geschichte über Sie. Oder du musst weltberühmt sein. Deshalb habe ich mich – weil ich das Leben liebe – entschieden, auf der ganzen Welt berühmt zu werden. Dann werde ich nach Schlesien übersetzt, weil ich von dort komme. Ich hoffe es wird bald sein. Polen, meine Landsleute aus der Weichsel, Ich denke, wenn ich sie richtig einschätze – und du musst immer aufpassen, weil ich nicht in ihrer Seele lebe -, ist dies meine Art, die Welt zu erfassen. Meine Art zu lachen kann von anderen Aspekten des Lebens und von ihrem Verständnis herrühren, das wir nicht dürfen Polen breitete sich aus. Wie gesagt, ich bin ein bisschen um die Welt gegangen. Dr Rafik Schami, er ist ein sehr erfolgreicher Schriftsteller, seine Werke sind in viele Sprachen übersetzt worden. Bei uns in Arabien eine Regel gibt, er sagt, wenn Sie ins Ausland fahren und dort Schriftsteller werden, müssen Sie entweder schnell sterben, dann werden die Bücher sofort gedruckt und in jedem Dorf gibt es dann eine kleine Geschichte über Sie. Oder Sie müssen weltberühmt werden. Also ich habe mich dazu entscheiden – weil ich das Leben liebe -, weltberühmt zu werden. Dann werde ich ins Arabische übertragen. Und das wird hoffentlich bald so sein. Das ist eine wirklich orientalische Antwort. Meine Art ist, die Welt aufzufassen, meine Art, durch das Lachen vielleicht andere Aspekte des Lebens zu begreifen, die bei uns in Arabien nicht zugelassen sind. Zum Beispiel die Beziehung zwischen den Religionen, daß sie einander lieben – in Arabien ist das tabu. Ein Moslem darf eine Christin nicht lieben und umgekehrt. Dazu kommt, daß ich eine entschieden schlechte Beziehung zum Militär und zum Krieg habe. Das gefällt natürlich nicht in einer Gegend, die im Krieg lebt. Das gefällt nicht. Das gefällt übrigens auch den Israelis nicht, nicht nur den Arabern. Das muß man schon sagen, jeder Israeli, der gegen den Krieg ist, ist nicht gerade beliebt bei seiner Regierung – das glaube ich nicht. Sie erfüllen also damit nicht das Bild eines Mannes, wie man ihn sich in diesen Ländern vorstellt? Es kommt darauf an, wer mich anschaut. Ich erfülle schon das Bild eines vernünftigen Mannes. Für die vernünftigen Leute. Ja, es kommt darauf an. Ich bin der Meinung, daß man auf die vernünftige orientalische Regel zurück greifen kann: Wenn du einen Gegner hast, dann laß ihm eine Hintertür, damit er sein Gesicht nicht verliert, wenn er sich
zurückzieht. Es heißt im Orient nicht oder es hieß im Orient nie, wenn du einen Gegner hast, dann erkläre ihn zum Feind und vernichte ihn. Das ist eigentlich, wenn Sie so wollen, orientfeindlich. Wenn Sie bedenken, daß wir jahrtausendelang miteinander gelebt haben, und nun wollen die mir erzählen, daß wir im Orient nicht mehr miteinander leben können. Das ist schon ein bißchen dumm, das ist ein bißchen zu dumm für meine Kenntnisse. Da ich die Geschichte liebe und die Geschichte auch lese, weiß ich, daß das wirklich eine billige Lüge ist, daß wir nicht mehr miteinander leben können sollen. Als ich das erkannte, wollte ich auch danach leben… In den Augen mancher Araber vielleicht ein Feigling bin, herr Schami sagt. Aber ich glaube es kostet mehr Mut, gegen den Strom zu sein und nein zu sagen, zu sagen: Nein, ich mache diese Mode nicht mit und ich schreie nicht nach dem Willen der einzelnen Herrscher, sondern ich bin über meine Haltung nur mir selbst verantwortlich. Das ist nicht einfach, wirklich nicht einfach. Das kostet Exil, wenn Sie so wollen. Liebe Leute. Zunächst will ich aber ziemlich am Anfang anfangen und zwar aufgezogen an diesem Männerstolz, den ich eben beschrieben habe: ich bin der Sohn Professors für Forstwissenschaft, und wenn es nach dem Willen meines Vaters gegangen wäre, dann wäre ich auch Professor für Forstwissenschaft geworden. Warum bin ich das nicht geworden? Ich habe meinen Vater einmal in meinem Leben gesehen, deshalb liebte ich meine Mutter, die sich entschied, auf mich aufzupassen, mehr als das Leben. Meine Mutter war sehr glücklich mit Kunstglas, ich werde mein Glas an alle Freunde und Bekannten weitergeben, wiederholte sie mir. Mutter hielt meine erste drei bücher: Verwundete Wunde, Schwertkämpfer Gottes, Kornblumen der freiheit, sie streichelte meine Bücher in ihren müden Händen. Meine Mutter hat mein Priestertum sehr genossen. Frau reiniger, Reinigungsberuf ist schwer, Mutter bewegte das Glas: Vasen, Teller, Gläser auf das Band, sie arbeitete in der Glasfabrik. Warum hab ich schon sehr früh angefangen zu schreiben und bin ich diesen ganz eigenen Weg gegangen, der bis heute und hierher geführt habe? Ich antworte von hinten her. Meine Mutter hat bis zum letzten Tag seines Lebens wiederholt, daß sie mich Gott sei Dank nicht in das Priestertum gezwungen hat. Sie war also auch insoweit beglückt, daß ich Schriftsteller wurde. Reinigungsberuf hat mir, ehrlich gesagt, einfach nicht gefallen. Erstens müssen Sie sehr früh aufstehen, zweitens niedrigen Einkommen . Ich fühlte mich zum Buch hingezogen, aber das ist eine spätere Erkenntnis, weil ich mich damals eigentlich zur Erzählung hingezogen fühlte. Ich war fasziniert von den Menschen, die da irgendwo sitzen und erwachsenen Leuten Geschichten erzählen. Das war die erste Annäherung an die Bücher. Die zweite kam in einem Kloster, wo man als Schüler dann als Priester nach der Schule entweder in der Kirche beten oder in die Bibliothek gehen konnte. Ich bin in die Bibliothek gegangen. Da habe ich in einem Gewölbekeller so schöne Bücher entdeckt: Bücher, die man aufschlagen kann und bei denen einem Ozeane entgegenkommen. Solche Bücher hatten wir in der Familie nicht. Wir hatten nur die Bibel, wie in jedem Haushalt, und ein paar kleine Bücher von meiner Mutter. Mich hat allein schon der Geruch dieser Bücher betört, als ich diese Bücher aufgeschlagen hatte, war es um mich geschehen. Ich war von diesem Tag an süchtig. Und Sie können einen Süchtigen natürlich nicht fragen, warum er da noch weitergemacht tun. Ich habe darin einen Genuß gefunden, und das entfremdete mich noch mehr von Arbeiter, berufstätige Frau, von diesem harten Beruf, der Ihnen überhaupt keine Möglichkeit läßt zu lesen. Und da ich in der Schule nicht schlecht war, hat meine Mutter gesagt, solange du in der Schule weiterkommst, mußt du nicht in die Huta kommen. Daher hatte ich eine andere Beziehung zur Schule, die Schule war meine Rettung. Heute verstehen die Kinder das nicht, wenn ich ihnen sage, freut euch doch, daß ihr in die Schule gehen könnt – die sagen nur, um Gottes willen. Ich habe mich also sehr gefreut, in die Schule gehen zu können, weil sie mich gerettet hat. Ich durfte als Kind wunderbare Bücher anfassen, sehr teure Bücher sogar. Die Hauptsache war, sie nicht zu beschädigen. Und da ist diese Liebesbeziehung zu alten Büchern entstanden. Man kann also schon sagen, so wie Sie es beschrieben haben, daß dieses Floß das Rettungsfloß war – vor dieser anderen Alternative, die Sie nicht wollten. Es muß aber doch, sonst hätten Sie nie diese Geschichte als Schriftsteller erlebt, noch etwas Eigenes gewesen sein. Die Märchen, die Sie erzählt bekommen haben, die Sie gelesen haben und die Sie heute selbst erzählen und schreiben, sind die eine Flucht aus der Wirklichkeit oder ist das der Umgang mit der Wirklichkeit mit anderen Mitteln? Wie erlebt das ein Kind, wie alt waren Sie damals in diesem Seminar? 15 bis 25 Jahre alt war ich im Seminar. Ich war da 10 Jahre, bis ich sehr krank wurde. Ich wurde krank und erst im letzten Augenblick gerettet. Es war dieser Zauber, die eine Erzählung auf mich ausgeübt hat. Das war noch daheim auf dem Hof und vor der Zeit im Seminar. Ich habe diesen Zauber bis heute nicht vergessen, ich trage das in mir, man sitzt da und hört nur Worte, keinerlei Bauchtanz, keinerlei Feuerschlucker oder so etwas Ähnliches. Statt dessen sitzt da nur ein Mensch, ganz bescheiden mit seinem Teeglas, und erzählt eine Geschichte. Und auf einmal fühlte ich mit diesen Figuren, litt mit ihnen und entschwand mit ihnen. Ob das eine Flucht vor der Wirklichkeit ist? Ich würde ohne große Hemmung sagen, ja. Literatur ist in irgend einer Art immer eine Flucht, eine unmittelbare Flucht vor der Wirklichkeit. Aber, und jetzt kommt das große Aber, wenn das gute Literatur ist, werden Sie bei dieser Flucht so gut ausgerüstet, daß sie besser gewappnet zur Wirklichkeit zurückkehren. Sie sind fähiger als vorher, dem Leben zu begegnen. Gute Literatur entführt uns also nicht total aus der Wirklichkeit, sondern das ist eine vorübergehende Flucht, eine Reise in die Gegenwelt, in die sogenannte literarische Welt, um dann mit Weisheiten zurückzukommen, die diese Geschichten gelehrt haben…

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