Neue Geschichte

Stanisław Barszczak, Ein Mann der ewigen Wahrheit

Einige wollen das Dorfleben zurückkehren. “Ich kann nicht verstehen, wie man Gott in einem Priesterseminar finden soll,” Paulo Coelho sagt. Ich lebe hier und jetzt. Ich bin das Ergebnis von allem, was geschehen ist oder geschehen wird, aber ich lebe hier und jetzt. Einen Weg wählen hieß andere Wege aufgeben. Leben bedeutet ständiges Risiko, und wer das nicht akzeptiert, wird die Herausforderungen des Lebens niemals meistern können. Es ist gut, etwas Langsames zu tun, bevor man im Leben eine wichtige Entscheidung trifft. “Gib mir ein Jahr, Herrgott, an den ich nicht glaube, und ich werde fertig mit allem. Wir manchmal sagen, “Gib mir ein Jahr, Herrgott, an den ich nicht glaube, und ich werde fertig mit allem.” Also, wenn jemand seinen Weg gefunden hat, darf er keine Angst haben. Er muss auch den Mut aufbringen, Fehler zu machen. Wir sind nicht das, was die Leute von uns erwarten, oder so wie sie sich uns wünschen. Wir sind, wer wir zu sein beschlossen haben. Den anderen die Schuld zu geben ist immer einfach. Aber nur wer glücklich ist, kann Glück verbreiten. Wenn du etwas ganz fest willst, dann wird das Universum darauf hinwirken, dass du erreichen kannst. „Erst die Möglichkeit, einen Traum zu verwirklichen, macht unser Leben lebenswert.“ Deine Zeit wird kommen, aber du weißt nicht, wann – daher lebe so intensiv wie möglich. Wer liebt, muss sich verlieren und sich wiederfinden können. Und es gilt bei allem, jeden Augenblick so auszukosten, als wäre es der letzte.

In Złoczów lebt der fromme Pole Czesław Przygodzki mit seiner Frau Danuta und seinen Kindern Johannes, Paul und Sophia. Czesław vermittelt den Knaben der christlichen Gemeinde die Kenntnis der Bibel. Noch war Krieg in der Welt. Da wird ihm ein viertes Kind geboren, Mirosław, ein krankes, schwächliches Wesen. Die beiden älteren Söhne müssen zum Militär. Während es Paul nichts ausmacht, dem russischen Militär zu dienen, flüchtet Johannes über die Grenze nach Österreich, dann nach Italien, was die gesamten Ersparnisse der Familie aufzehrt. Schließlich gelingt Johannes die Flucht nach Amerika. Als er Fuß gefasst und etwas Geld gespart hat, benachrichtigt er seine Eltern, dass er sie und seine Geschwister nach Amerika holen will. Doch Paul will beim Militär bleiben und Mirosław darf nicht mit, denn Kranken ist die Einreise in die Vereinigten Staaten verboten. Schweren Herzens lässt Czesław Przygodzki Mirosław zurück und reist mit der restlichen Familie in die Neue Welt. Und die Stadt Złoczów, die in Polen lag, gefiel mir sehr: eine wunderschöne, alte Residenzstadt. Von dort aus haben Sie dann den Weg in den Süden Amerikass gefunden. Und Sie fühlen sich offenbar immer noch in beiden Teilen ein Stück weit beheimatet. Zunächst einmal wollten Sie, als Sohn eines Schmieds, Lehrer werden. Aufgewachsen sind Sie in einer Großfamilie, in der es im Alltag offenbar ziemlich glücklich zuging …Wie gesagt, er wollte zunächst Lehrer werden. Warum ist es dazu nicht gekommen?
Es fiel mir sehr schwer, persönlich zu schreiben. Ich traf aber die heilige Familie in meinem Heimatland Polen. Ich fühlte mich dann einfach verpflichtet, Zeugnis hier abzulegen.

I

(Büro mit einem großen Raum, dekoriert zeitgenössischen italienischen Stil
-Gegend von Neapel)

Czesław Przygodzki einmal wollte, als Sohn eines Schmieds und geboren im Jahr 1917, Lehrer werden. Er hat über viele Jahre hinweg durchaus hinreißende, freizügige Zeiten in Polen erlebt. Aufgrund einer zwingend notwendigen Knieoperation musste ich dann doch einen Bluttest machen lassen. Er ist aus Angst vor dem möglichen Resultat fast gestorben. Aber das Resultat war dann negativ, was er kaum glauben konnte. Das war wie eine Neugeburt und verbunden mit einer schamlosen Freude. Es begann ein neues Leben für sich. Das ist schon eine merkwürdige Sache. Seine Sprache ist die polnische, sagt der Held unserer Geschichte. Seine Kultur ist die europeische. Die ursprünglich polnischstämmige Familie Czesław lebte bereits 200 Jahre lang in Polen. Polen liegt östlich von Russland in Europa. Czesław aber wuchs bei seiner Mutter in Italien auf. Seinen Vater lernte er erst als Achtjähriger kennen, denn der arbeitete als Professor in Schwizerland. Als er mit der Mutter zusammen den Vater besuchen fuhr, fing er an zu reisen und schreiben. Seither gehören reisen und schreiben für ihn unmittelbar zusammen. Davon zeugen die Bücher, die er bislang geschrieben hat.

Aber die Söhne von Czeslaw gestern haben gerade aus dem Krieg zurückgekehrt. Und nun begann sie zu reden, als sie im Schutz der Nacht, den Bereich durch den Krieg abgedeckt zu Hause gingen. Sie wanderten. Es war Nacht. Den Mond ahnten sie hinter milchigem Gewölk. Der Frühling schien aus dem Wald einherzuwehn. Paul und Johannes gingen schnell auf einem schmalen Weg. Sie hörten das zarte Knistern der dünnen, spröden Eishülle unter ihren Stiefeln. Ihre weißen, rundlichen Bündel trugen sie geschultert an Stöcken. Einige Male versuchte Johannes ein Gespräch mit seinem Bruder anzufangen. Paul antwortete nicht. Er schämte sich, weil er getrunken hatte und hingefallen war wie ein Bauer. An den Stellen, an denen der Pfad so schmal war, daß beide Brüder nicht nebeneinandergehen konnten, ließ Paul dem jüngern den Vortritt. Am liebsten hätte er Johannes vor sich hergehen lassen. Wo der Weg wieder breiter wurde, verlangsamte er den Schritt in der Hoffnung, Johannes würde weitergehen, ohne auf den Bruder zu warten. Aber es war, als fürchtete der jüngere, den älteren zu verlieren. Seitdem er gesehen hatte, daß Paul betrunken sein konnte, traute er ihm nicht mehr, zweifelte er an des älteren Vernunft, fühlte er sich für den älteren verantwortlich. Paul erriet, was sein Bruder empfand. Ein großer, törichter Zorn kochte in seinem Herzen. Lächerlich ist Johannes, dachte Paul. Wie ein Gespenst ist er dünn, den Stock kann er nicht einmal halten, jedesmal schultert er ihn wieder, das Bündel wird noch in den Dreck fallen. Bei der Vorstellung, daß Johannes weißes Bündel vom glatten Stock in den schwarzen Dreck der Straße fallen könnte, lachte Paul laut auf. ‘Was lachst du?’ fragte Johannes ‘Über dich!’ antwortete Jonas. ‘Ich hätte mehr Recht, über dich zu lachen’, sagte Johannes. Wieder schwiegen sie. Schwarz wuchs ihnen der Tannenwald entgegen. Aus ihm, nicht aus ihnen selbst, schien die Schweigsamkeit zu kommen.

Von Zeit zu Zeit erhob sich ein Wind aus willkürlicher Himmelsrichtung, ein heimatloser Windstoß. Ein Weidenbusch regte sich im Schlaf, Zweige knackten dürr, die Wolken liefen hell über den Himmel. ‘Jetzt sind wir doch Soldaten!« sagte auf einmal Johannes. ‘Ganz richtig’, sagte Paul, ‘was waren wir denn sonst? Wir haben keinen Beruf. Sollen wir Lehrer werden wie unser Vater? ‘Besser als Soldat sein!’ sagte Johannes. ‘Ich könnte ein Kaufmann werden und in die Welt gehen!’ ‘Die Soldaten sind auch Welt, und ich kann kein Kaufmann sein’, meinte Paul. -Du bist betrunken!« »Ich bin nüchtern wie du. Ich kann trinken und nüchtern sein. Ich kann ein Soldat sein und die Welt sehn. Ich möchte ein Bauer sein. Das sag’ ich dir – und ich bin nicht betrunken … Johannes zuckte mit den Schultern. Sie gingen weiter. Gegen Morgen hörten sie die Hähne krähn aus entfernten Gehöften. ‘Das wird Neapel sein’, sagte Johannes. ‘Nein, es ist Afragola!’ sagte Paul. ‘Meinetwegen Afragola’, sagte Johannes. Eine Fuhre klapperte und rasselte hinter der nächsten Biegung des Weges. Der Morgen war fahl, wie die Nacht gewesen war. Kein Unterschied zwischen Mond und Sonne. Kleine Schnee fing an zu fallen, weicher, warmer Schnee. Raben flogen auf und krächzten.
-‘Sieh, die Vögel’, sagte Johannes; nur als Vorwand, um den Bruder zu versöhnen.
-‘Raben sind das!’ sagte Paul. ‘Vögel!’ ahmte er höhnisch nach.
-‘Meinetwegen!’ sagte Johannes, ‘Raben!’
Es war wirklich Afragola. Noch eine Stunde, sie kamen nach Neapel. Noch drei Stunden, und sie waren zu Haus.
Es schneite dichter und weicher, je weiter der Tag fortschritt, als käme der Schnee von der ansteigenden Sonne. Nach einigen Minuten war das ganze Land weiß. Auch die einzelnen Weiden am Weg und die verstreuten Birkengruppen zwischen den Feldern weiß, weiß, weiß. Nur die zwei jungen, schreitenden Polen waren schwarz. Je dichter es schneite, desto schneller gingen sie. Bauern, die ihnen entgegenkamen, gingen ganz langsam, mit eingeknickten Knien, sie wurden weiß, auf ihren breiten Schultern lag der Schnee wie auf dicken Ästen, schwer und leicht zugleich, vertraut mit dem Schnee, gingen sie in ihm einher wie in einer Heimat. Manchmal blieben sie stehn und sahen sich nach den zwei schwarzen Männern um wie nach ungewohnten Erscheinungen, obwohl ihnen der Anblick von Polen nicht fremd war. Atemlos langten die Brüder zu Hause an, schon fing es an zu dämmern. Sie hörten von weitem den Singsang der lernenden Kinder. Er kam ihnen entgegen, ein Mutterlaut, ein Vaterwort, ihre ganze Kindheit trug er ihnen entgegen. Beide Brüder nahmen also mit den gleichen Regungen die Melodie auf, die ihnen durch den Schnee entgegenwehte, während sie sich dem väterlichen Hause näherten. In gleichem Rhythmus schlugen ihre Herzen. Die Tür flog vor ihnen auf, durchs Fenster hatte sie ihre Mutter Danuta schon lange kommen sehn.
-‘Wir sind genommen!’ sagte Paul ohne Gruß.
-‘Sie sehen ein wenig schlechter,’ bemerkte Johannes.
– Es waren viele Mädchen in meinem Leben. Aber immer noch nicht das Gesicht verpassen. Nicht möglich, für alle Frauen zu besitzen, aber man muss vor bemühen müssen. Ihre Mutter kümmert sich immer über mich. Vielleicht brauchten die Frauen die Männer nötiger als die Männer die Frauen.

II

(Kinderzimmer, “Spielhaus” an der einen Junior. Unsere neue Kindermöbel-Konzept ist groß auf super cool, kleine Versionen der Erwachsenenmöbel und Accessoires, perfekt für Kinder geeignet, hervorragende Leistungsverhältnis, ich erinnere mich nicht, warum- perfekt für kleine Prinzen und Prinzessinnen Es ist die Art von Zeug sie möchten, sie können dieses Zimmer gehabt zu haben, während sie heranwachsen)

Czesławs ältere Söhne waren gesund, kein Fehler konnte an ihrem Körper entdeckt werden, und sie mußten anfangen, sich zu plagen, zu fasten und Kaffee zu trinken und auf eine vorübergehende Herzschwäche zu hoffen, obwohl der Krieg gegen England schon beendet war. Und also begannen ihre Plagen. Sie aßen nicht, sie schliefen nicht, sie torkelten schwach und zitternd durch Tage und Nächte. Ihre Augen waren gerötet und geschwollen, ihre Hälse mager und ihre Köpfe schwer. Danuta, seine Frau, liebte sie wieder. Für die älteren Söhne zu beten, pilgerte sie noch einmal zum Friedhof. Diesmal betete sie um eine Krankheit für Johannes und Sophia , wie sie früher um die Gesundheit Mirosławs gefleht hatte.

Jetzt die Jungen sind in der Kindheit in Złoczew erwähnt. Sie sitzen da in den Raum nicht, die Brüder nicht sehen können, aber wir sehen jetzt mehr Bilder Familie. Zu dieser Zeit, die Jungen waren sie auf dem Altar in der Kirche.
-‘Wollten Sie schon immer ein Leithammel, Stand-up-Comedian auf dem Altar sein?’
-‘Ich erinnere mich, dass meine Familie total gegen meine Entscheidung, ein Komiker am Altar sein, da sie nicht glaube,warum. Es war eine respektable Arbeit. Ich hatte mir vorgenommen . Während dieser Zeit wurde ich von der Freiheit, der Solidarität meiner Nation fasziniert und wollte ich der Herstellung von dieser Kust es zu meistern,’ antwortete Johannes dem Rektor des Priesterseminars in Lwiw.

Ihre Mutter ging indessen zum Fuhrmann Piotr und fragte ihn, ob er sie in der nächsten Zeit umsonst nach Lwiw mitnehmen könnte. Er saß auf der blanken Ofenbank, ohne sich zu rühren, die Füße in graugelben Säcken, mit Stricken umwickelt, und er duftete nach selbstgebrautem Schnaps. Es war der gefährliche Geruch der Bauern, der Vorbote unbegreiflicher Leidenschaften und der Begleiter der Pogromstimmungen.
-Eine schöne echte Sommernacht! Es war die erste Woche im Monat ab. Die Christen versammelten sich nach dem Abendgebet, um Jesus und geladene Gäste bei der Hochzeit zu Kana zu begrüßen, und weil die Nacht angenehm war und ein Labsal nach dem heißen Tage, folgten sie ihren gläubigen Herzen williger als gewöhnlich und dem Gebot Gottes, über dem sich der Himmel weiter und umfangreicher wölbte als über den engen Gassen des Städtchens. Die Sonne ist untergegangen. Der Wind kommt von Westen, am Horizont schichten sich violette Wolken. Alle Sternen des Himmels standen da, nah und lebendig, als hätten sie Sophia vor dem Haus erwartet. Ihre klare golden Pracht enthielt die Pracht der großen freien Welt, kleine Spiegelchen Waren się, in denen sich der Glanz Amerikas spiegelte.

Eine Mutter und Mirosław sahen sie plöztlich. Hastig nahmen sie Abschied, ihre Wege trennten sich. Nicht weit von den Zloczover Verwandten Czesław Przygodzkis lebte Jerzy, ein Mann ohne Alter, ohne Familie, ohne Freunde, flink und vielbeschäftigt und mit den Behörden vertraut. Seine Hilfe zu erreichen, bemühte sich Danuta. Vor der Sitzung Czeslaw sie war eine sehr schöne junge Frau, die mir dann erzählte, dass ihr Sohn mit neun Jahren an Leukämie gestorben sei. Und jetzt sie blieb nicht bei Mirosław auch. Lange Jahre, Tag und Nacht, Stunde und Stunde hatte sie auf das verheißene Wunder gewartet. Die Toten im Jenseits halfen nicht, der Arzt half nicht, Gott wollte nich helfen. Nacht war in ihrem Herzen, Kummer in jeder Freude gewesen, seit Mirosław Geburt. Alle Feste waren Qualen gewesen und alle Feiertage Trauertage. Es gab keinen Frühling mehr und keinen Sommer. Winter hien Alle Jahreszeiten. Die Hoffnung allein wollte nicht sterben. Jetzt sie trat ans Fenster, sah hinein, versuchte aus den Mienen der Eltern zu erkennen, was sie sprechen mochten. Sie erkannte nichts. Sie löste die eisernen Haken von dem Holz der aufgeklappten Läden und schloß die beiden Flügel, wie einen Schrank. Sie dachte an einen Sarg. Sie begrub die Eltern in dem kleinen Häuschen. Sie fühlte keine Wehmut. Die Eltern waren begraben. Die Welt war weit und lebendig. Stepan, Iwan lebten. Amerika lebte, jenseits des großen Wassers, mit all seine hohen Häusern und mit Millionen Männern. Denn Deborah sitzt, als ob nichts geschehen wäre, ruhig auf dem Sessel. Ihre Augen sind trocken und leer wie zwei dunkle Stückchen Glas. Tausend Gedanken schwankten durch ihre Hirne.

-‘Wenn du ein vernünftiger Mensch wärst’, sagte einmal sie zu Czesław, ‘so würdest du morgen nach Rom fahren und den Papst um Rat fragen.’
-‘Laß mich in Ruh’, ich kann nich länger mit dir reden.’ Und Czesław vertiefte sich in ein frommes Buch.

III

(Hafen von Neapel, 1966 Jahr. Danuta und Czesław beginnen ihre Reise mit dem Schiff über das Mittelmeer, den Atlantik nach Buenos Aires.. In diesem Augenblick erdröhnten die Sirenen. Die Maschinen begannen zu poltern. Und die Luft und das Schiff und die Menschen erzitterten. Nur der Himmel blieb still und blau, blau und still)

Es war noch früh, als sie das Schiff erreichten. Man erlaubte ihnen, ein paar Blicke in die Speisesäle der ersten und zweiten Klasse zu werfen, ehe man sie ins Zwischendeck hineinschob. Czesław Przygodzki rührte sich nicht. Er stand auf der höchsten Stufe einer schmalen, eisernen Leiter, im Rücken den Hafen, das Land, den Kontinent, die Heimat, die Vergangenheit. Zu seiner Linken strahlte die Sonne. Blau war der Himmel. Weiß war das Schiff. Grün war das Wasser. Jemand kam und befahl Czesław, die Treppe zu verlassen. Er warf einen flüchtigen Blick auf das Meer und trank Trost aus der Unendlichkeit des bewegten Wassers. Ewig war es. Czesław erkannte, daß Gott selbst es geschaffen hatte. »Amicus« hieß das Schiff, auf dem Czesław stand. Es war ein großes Schiff. Aber mit dem Leviathan verglichen und mit dem Meer, dem Himmel und der Weisheit des Ewigen, war es ein winziges Schiff. Nein, Czesław fühlte keine Angst.

Es war dann ein heller und heißer Tag, Czesław begann, an eine Heimkehr zu denken. Er zündete eine Kerze an, löschte die Lampe aus und sagte: “Geh schlafen, Danuta! Ich bleibe heute wach.” Er holte aus dem Koffer sein altes Gebetbuch, heimisch war es in seiner Hand. Mit den Füßen schlug er den Takt zu den Versen der Psalmen. Sein Herz jubelte, Und sein Körper mußte tanzen. Neunundfünfzig Jahren kannte er Danuta. Die Sorgen verließen ihn, der Tod näherte sich ihm. Sein Auge war schwach. Der Rücken krümmte sich, und die Hände zitterten. Der Schlaf war leicht, und die Nacht war lang. Die Zufriedenheit trug er wie ein fremdes geborgtes Kleid. Sein Sohn übersiedelte in die Gegend der Reichen, Czesław blieb in seiner Gasse, in seiner Wohnung, bei den blauen Petroleumlampen, in der Nachbarschaft der Armen, der Katzen und der Mäuse. Er war fromm, gottesfürchtig und gewöhnlich, ein ganz alltäglicher Mann. Wenige beachteten ihn. Manche bemerkten ihn gar nicht. Ein paar alte Freunde besuchte er tagsüber. Einmal in der Woche kamen seine drei Kinder, sein Enkel. Er hatte ihnen gar nichts zu sagen. Sie erzählten Geschichten aus dem Theater, aus der Gesellschaft und aus der Politik. Er glaubte seinen Kindern aufs Wort, daß Amerika das Land Gottes war, Buenos Aires die Stadt der Wunder und Spanish die schönste Sprache. Die Amerikaner waren gesund, die Amrikaner schön, der Sport wichtig, die Zeit kostbar, die Armut ein Laster , der Reichtum ein Versdienst, die Tugend der halbe Erfolg, der Glaube an sich selbst ein ganzer, der Tanz hygienisch, die Zukunft sehen wie Propheten, im ewigen Frieden leben. Die Welt wird sehr schön sein… Er hatte nur eine Hoffnung noch: Mirosław zu sehn.

Buenos Aires ist die Hauptstadt und Primatstadt, also das politische, kulturelle, kommerzielle und industrielle Zentrum Argentiniens. Die Stadt liegt am Río de la Plata, einer trichterförmigen Mündung der Flüsse Río Paraná und Río Uruguay in denAtlantik, an der Ostküste des südamerikanischen Kontinents durchschnittlich 25 Meter über dem Meeresspiegel. Der Konquistador Juan Díaz de Solís entdeckte 1516 den Río de la Plata, seine Expedition wurde aber durch einen Indianerangriff in der Nähe des heutigen Tigre zu einem blutigen Ende gebracht, bei dem Solís auch selbst umkam. Buenos Aires wurde am 2. Februar 1536 von Pedro de Mendoza mit dem Namen Puerto de Nuestra Señora Santa María del Buen Ayre („Hafen unserer lieben Frau der Heiligen Maria der guten Luft“) gegründet. 1776 wurde Buenos Aires schließlich zur Hauptstadt des Vizekönigreichs des Río de la Plata, das aus dem Vizekönigreich Peru ausgegliedert kurde. Am 25. Mai 1810 vertrieben bewaffnete Bürger der Stadt Buenos Aires den Vizekönig Baltasar Hidalgo de Cisneros y la Torre. Am 9. Juli 1816 erklärte der Kongress von Tucumán formell die Unabhängigkeit der Vereinigten Provinzen des Río de la Plata. 1829 übernahm der Föderalist Juan Manuel de Rosas als Gouverneur die Herrschaft über Buenos Aires. Im März 1835 wurde er abermals zum Gouverneur und Generalkapitän gewählt. Mit dem Sturz Rosas öffnete sich die Stadt für Einwanderer aus Europa. 1880 wurde die Stadt Buenos Aires unter Julio Argentino Roca von der gleichlautenden Provinz abgetrennt und gleichzeitig zur Hauptstadt Argentiniens erklärt. 1890 war Buenos Aires die größte und wichtigste Stadt in Lateinamerika. Um die Jahrhundertwende betrug die Einwohnerzahl nahezu eine Million. 1913 wurde unter der Avenida de Mayo die erste U-Bahn-Strecke eröffnet. Die U-Bahn von Buenos Aires blieb die erste und einzige in Lateinamerika bis zur Eröffnung der U-Bahn von Mexiko-Stadt im Jahre 1969. Die Stadt ist dynamisch und progressiv, ohne dabei ihre Tradition und Geschichte zu verleugnen. Sie ist ausgerichtet auf Europa. Viele der Portenos, wie die Einwohner der Stadt genannt werden, sind sich durchaus bewusst, dass ihre Wurzeln in Europa liegen. Hier lebte Miroslaw, er schrieb Briefe an die Familie von Neapel standing.

IV

(San Martin Coronado, Argentinien)

-Da sagte Paul: ‘Nächste Woche fahre ich nach San Franzisko. Auf der Rückkehr spielen wir noch zehn Tage in Chicago. Ich denke, Vater, daß wir in vier Wochen nach Europa fahren können!’
– ‘Gott segne sie!’ sagte Czesław.

(City Hall in San Francisco)

Der Stadtrat empfängt ihn, aber Paul hat von einer Lesung davor ein Heiserkeitsproblem. Route wird bestimmt, wenn wir gehen. Paul erhob sich. ‘Nicht, Zauberer, deine Stimme’, sprach die Paul’s Freundin von der Seite hoch. ‘Laß nur, Paul, die Pflicht will’s.’ Katia stand mit dem Gemahl auf: ‘Dann tu’s. Ist schon recht, alter Recke.’ Die Stille war vollkommen. Rauh, leise hub die Stimme an, doch ihre Diktion war makellos: ‘Ich danke. Ich danke für die Aufmerksamkeit, die mir durch diese Stadt zuteil wird. Und wir hoffen, morgigentags bei leidlich wiederhergestelltem Organe zu sein. Ich danke spröde, doch das Herz ist dabei. Schreiten wir voran durch die sinnreich erwähnten Wirrnisse, kühn, immer das Ziel vor Augen, das dieser mein Shakespeare benannte: Freiheit und Bildung. Es gibt nichts anderes. Zwischen allerlei Decor interessiert nichts anderes wahrhaft. Wer mit von der Partei sein mag: Willkommen! Wer Feind ist, Besinnungsloser, so denn, wir bleiben auf der Hut und lassen von der Zähmung aller Bestien nicht ab, des Dummen, des Fahrlässigen, des, ja, Ferkelhaften im Feinde der Wohlfahrt.’ Das Sprechen fiel schwer. ‘Gut denn, ich wurde über alles Maß gelobt. Das soll nicht sein, das ist menschlich nur zu willkommen. Größe. Meine Damen, meine Herren, ach, welcher Dunst. Ich habe mich nie für einen großen Mann gehalten. Ich habe mein Leben verbracht im Aufblick zur Größe und zum Meisterhaften, und ich habe dabei aus Liebe und Bewunderung gelernt … Aus dem Aufblick ist zuweilen ein gewisser Einblick geworden, und so ist ins Werk eine Anspielung auf Größe eingedrungen. Ich denke sehr nüchtern über meine Verdienste.’ Der Applaus, sagte Herr Johannes Pleschinski, war lautstark und anhaltend.

Sie kehrten ins Hotel zurück. Czesław ging ins Zimmer seines Sohnes. Er war müde. ‘Leg dich auf das Sofa, schlaf ein wenig’, sagte der Sohn. ‘In zwei Stunden bin ich wieder hier!’ Czesław legte sich gehorsam. Er wußte, wohin sein Sohn ging. Zur Schwester ging er. Er war ein wunderbarer Mensch. Der Sohn ging. Der Vater blieb auf dem Sofa, die Photographie legte er sachte neben sich. Sein müdes Auge schweifte durchs Zimmer zum Fenster. Von seinem tiefgelagerten Sofa aus konnte er einen vielgezackten, wolkenlosen Ausschnitt des Himmels sehn. Er nahm noch einmal das Bild vor. Er stand auf, schob einen Sessel an das Sofa, stellte das Bild auf den Sessel und legte sich wieder hin. Während sie sich langsam schlossen, nahmen seine Augen die ganze blaue Heiterkeit des Himmels in den Schlaf hinüber und die Gesichter der neuen Kinder. Neben ihnen tauchten aus dem braunen Hintergrund des Porträts Paul und Sophia auf. Czesław schlief ein. Und er ruhte aus von der Schwere des Glücks und der Größe der Wunder.

Epilog

Lange Jahre hatte er wie sie alle seine Tage gelebt, von wenigen beachtet, von manchen gar nicht bemerkt. Eines Tages ward er ausgezeichnet in einer fürchterlichen Weise. Es gab keinen mehr, der ihn nicht kannte. Den größten Teil des Tages hielt er sich in der Gasse auf. Czesław blieb allein im Laden. Er versperrte sorgfältig die Tür von innen, räumte das Schaufenster aus, begann sich auszuziehen. Jeden seiner Schritte begleitete das Lied. Länger wurden die Tage. Die Morgen enthielten schon so viel Helligkeit, daß sie sogar durch den geschlossenen Rolladen in das fensterlose Hinterzimmer Przygodzkis einbrechen konnten. Im April erwachte die Gasse eine gute Stunde früher.
-‘Willst du wissen, wohin wir fahren, Vater?’ fragte der Sohn. ‘Nein!’ antwortete Mendel. ‘Ich will nichts wissen! Wohin du fährst, ist es gut.’

Und sie gelangten in eine Welt, wo der weiche Sand gelb war, das weite Meer blau und alle Häuser weiß. Auf der Terrasse vor einem dieser Häuser, an einem kleinen, weißen Tischchen, saß Czesław Przygodzki. Er schlürfte einen goldbraunen Tee. Auf seinen gebeugten Rücken schien die erste warme Sonne dieses Jahres. Die Amseln hüpften dicht an ihn heran. Ihre Schwestern flöteten indessen vor der Terrasse. Die Wellen des Meeres plätscherten mit sanftem, regelmäßigem Schlag an den Strand. Am blaßblauen Himmel standen ein paar weiße Wölkchen.
‘Mensch sein bedeutet, Zweifel zu haben und dennoch seinen Weg fortzusetzen.’ Wissen wir bereits, mehr Arbeit für die Generationen von morgen getan werden muss, Czesław begann zu denken… Im Moment erwähnt er, wie vor kurzem sie mit Danuta in den Bus verloren sind und dann wie in der großen amerikanischen Welt fanden sie wieder… So grüßte Czesław Przygodzki die ganze Welt.. Czeslaw ist ja neben dem unsäglichen Staatspräsident und Anderen wohl doch der berühmteste Polnische des 20. Jahrhunderts – auch wenn man länger nachforscht, ich denke. Denn: Wer lebte länger? An ihn zu erinnern, an seinen Humanismus, an seine Bürgertugenden, an seine köstliches Leben ist doch ein großes Vergnügen. Und seine Botschaft “Freiheit und Bildung” sind zeitlos und gehören, wie ich meine, immer wieder ins Gedächtnis zurückgerufen. Lasst uns leben länger.

(schriftlich diese Geschichte hat sich zu einer großen Hilfe der Text von Joseph Roth, Autor)

Leave a comment