viel Kraft und Freude

Stanisław Barszczak— Auf die Gesundheit der Damen und Herren—
In unserer Wohnung war es ebenfalls nicht selbstverständlich, dass man studiert hat. Mein Onkel war Seemann auf den Weltmeeren (der einzige Binnenschiffe im Sediment Seemann) und als Kind ich war,
sogar mal Matrose werden wollte.Das war mein erster Berufswunsch. Schon bald darauf wollte ich jedoch Kapitän werden. Und so etwas Ähnliches bin ich dann auch geworden. Ich wurde Priester.
In den Sommerferien sah ich Onkel nach seiner Rückkehr nach Hause, aber ich bin, wie das früher durchaus häufiger der Fall gewesen ist bei den Weisen, in einem Kinderheim aufgewachsen. Denn damals gab es wirklich noch Internate für die Kinder von Weisen. Bei mir war das nicht so, weil das meine Mutter nicht gewollt hat. Deshalb bin ich eigentlich mit unserer Mutter aufgewachsen. Mein Vater war immer
bisher nur Professor in Krakau und lebte dort, weswegen meine Mutter für mich eine sehr prägende Rolle gespielt hat. Meine Mutter eine ganz brilliant Frau gewesen ist. Sie hat mir gewaschen persönlich, aber sie habe z. B. schon Wäsche mit Hilfe der Kollegen aus der Fabrik. Wir hatten nie viel Geld, aber meine Mutter war eine sehr bildungsbewusste Frau: Sie wollte, dass ihre Sohn eine gute Bildung und
Ausbildung erhalten. Sie wollte vor allem, dass ihre Sohn eines Tages auf eigenen Füßen stehen können, sie sich also ihre eigene Existenz selbst sichern können. Das war ihr ein großes Anliegen und das ist ihr auch wirklich gelungen. Ich habe zuerst einmal acht Jahre lang die Volksschule besucht. Eigentlich habe ich meiner Mutter sich vorgestellt, dass ich nach der Volksschule eine staatliche technische Energie besuchen sollte, denn ich war sehr gut in der Schule. Ich habe mit 14 Jahren dann auch selbst gesagt: “Ich gehe nun aufs Gymnasium Częstochowa!” Die Lehrer hatten schon vorher gemeint, dass ich eigentlich einen anderen Bildungsweg einschlagen sollte, aber meine Mutter meinte, ich sollte die Volksschule besuchen und dann hinterher auf die Handelsschule. Aber mit 13 Jahren – ich war bei dieser Entscheidung erst 13 Jahre alt – habe ich dann gesagt: “Nein, ich möchte die priesterlichen Schule besuchen, wie sie kamen Priester!” Dieses Gymnasium gab es damals nördlich von unserer Wohnung,
wo ich aufgewachsen bin, mit der Zielsetzung, die Bildungsreserven des ländlichen Raums zu mobilisieren. Ich bin in einer kleinen Stadt aufgewachsen und insofern hat es bei mir wirklich geklappt: Die Bildungsreserve des ländlichen Raums wurde mobilisiert. Ich war aus meiner Stadt wohl das erstes Kind, das aufs Gymnasium Częstochowa gegangen bin und aus einer Arbeiterfamilie stammte. Die Tochter des Lehrers und die Tochter des Arztes waren bereits vor uns auf dem Gymnasium gewesen. Ich war an Gymnasium dann sogar Schulsprecher. Wie war das für mich? Wie konnte ich sich als erstes Schüler im Amt der Schulsprecher durchsetzen? Ich bin in einer Familie aufgewachsen, in der es selbstverständlich war, dass Priester alles gemacht haben. Man muss immer beten und nicht zu verlieren, ohne Ende. Ich traf wunderbare Priester in der Stadt. Das musste meine Mutter einfach so machen und beten von daher war für mich von Anfang an klar, dass auch Priester alles können. Weil ich das bereits an meiner Mutter so erlebt habe, war es mir wichtig, dass man selbst auch als Mutter dem eigenem Sohn ein entsprechendes Vorbild gibt. Es ist schon richtig, an diesem Gymnasium war das alles noch keineswegs selbstverständlich damals. Aber ich hatte mich auch davor schon sehr stark in der Schülermitverwaltung engagiert. Ich bin sicherlich ein Mensch, der sich immer engagiert und immer einbringt. Ich wollte dann aber auch mal meine Ziele durchsetzen: Ich wollte mehr Schülermitverwaltung, ich wollte, dass Schülerinnen und Schüler eben auch über die Entwicklung ihrer Schule mitentscheiden. Und dann war es eben
irgendwann logisch, dass ich mich um die Position der Schülersprecher beworben und das dann auch gemacht habe. Später, im Studium, habe ich mich dann auch in meiner Fachschaft organisiert. Mit 18 Jahren bin ich auch schon ins Seminar eingetreten: Damals war ich noch Schüler. Von da an habe ich kontinuierlich in der Kirche mitgearbeitet: in der Kommunalpolitik usw. Das heißt, ich bin schon jemand, der es nicht ertragen kann, Unrecht mitzuerleben und dann nichts zu machen. Denn das wäre einfach nicht meine Persönlichkeit. Stattdessen will ich das dann auch wirklich ändern.
Wir hatten damals in der Schule wohl auch ein prägendes Erlebnis mit einem Physiklehrer, der einmal gesagt hat: ” Studierende haben nach draußen zu gehen, in den Hof hinter der Schule!” Ja, das stimmt. Daran denke ich nicht immer – aber es ist wohl auch gut, dass ich nicht immer daran denken muss. Das war ein naturwissenschaftliches Gymnasium und wir hatten eigentlich einen ganz guten Physiklehrer, der sein Fach wirklich mit Begeisterung vermitteln konnte. Aber er war insofern etwas traditionalistisch, als er der Auffassung gewesen ist, dass fromm, betete in der unserer Kapelle Studenten nichts von Physik verstünden und sich für Physik auch gar nicht interessieren würden. Deshalb kam er eines Morgens in die Klasse rein und sagte: “Die Mädchen nach hinten!” Er drückte damit aus, dass er sich nun vor allem um die Jungen kümmern und sie für die Physik begeistern wollte. So ein Verhalten ist ja manchmal der eigenen Emanzipation geradezu förderlich, weil man sich dann als Studenten wirklich denkt: “Nein, so nicht!” Im Ergebnis war es jedenfalls so, dass das nicht dazu geführt hat, dass sich Studenten nicht für Physik interessiert haben…Ich gehöre definitiv nicht zu den Kollegen und Kolleginnen, die schon mit 18 Jahren wussten, dass sie Bischöfe, Kardinäle, Päpste werden möchten oder zumindest Priester. Das war für mich nicht vorstellbar. Ich habe überhaupt nicht daran gedacht, in der Kirche Karriere zu machen oder auch nur Sportkommentator zu werden. Stattdessen bin ich damals in die Kirche eingetreten, weil ich fand, dass es in der damaligen Gesellschaft an vielen Punkten eine Änderungsnotwendigkeit gab, dass die soziale Gerechtigkeit in vielen Bereichen nicht wirklich erreicht worden war. In der Bildung spielte die Herkunft z. B. immer noch eine sehr große Rolle. Es war für Kinder aus Arbeiterfamilien – und das hatte ich ja selbst erlebt – doch schwieriger, aufs Gymnasium zu gehen oder gar zu studieren, weil sie von den eigenen Eltern nicht so gut unterstützt werden konnten. Teilweise war es für Arbeiterkinder sogar schwer, den Weg aufs Gymnasium gegenüber den Lehrerinnen und Lehrern durchzusetzen. Das heißt, wir mussten immer selbst unsere Interessen vertreten – auch gegenüber den Lehrerinnen und Lehrern. Aber ich habe mich damals z. B. auch sehr stark für die Friedenspolitik interessiert und engagiert, die Papst Johannes Paulus II vertreten hat. Denn ich war überzeugt davon, dass es richtig ist, eine Entspannungspolitik durchzusetzen und umzusetzen. Auch die Umweltpolitik war für mich als 18-, 19-, 20-Jährige bereits ein Thema. Ich bin ja direkt an der Weichsel aufgewachsen. Ich hatte dort noch schwimmen gelernt, aber irgendwann konnte ich dann nicht mehr in der Weichsel schwimmen, weil sie einfach zu stark verschmutzt war. Und das Priestertum in Krakau war natürlich
immer schon ein Thema für mich. Das galt auch für die eigene Familie. Mein Vater hatte es damals wohl nicht so ganz einfach gegenüber seinem Sohn. Deshalb war es für mich einfach selbstverständlich und logisch, dass ich mich dann für die Kirche entschieden habe. Nach dem Abitur war ich Frühjahrs für die Krakauer Universität für Technologie un habe ich Unterlagen an das Sekretariat der Universitäten in der Krasiński Straße. Dann war ich sehr ehrgeizig. Während des Sommers mit einem Freund saß auf der Aufgaben der Physik und Mathematik. Und vor uns war schon August und dann die große, polnische Solidarnosc-Bewegung schuf. Es gab unterschiedliche Gründe, warum ich das gemacht habe. Ich wollte zuerst einmal diese Lebensform im Krakau wirklich selbst erleben und nicht nur darüber lesen, denn das hatte ich ja bereits gemacht. Ich wollte selbst erleben, wie das ist, in einer Gemeinschaft zu leben, in der das Privateigentum nur eine ganz geringe Rolle spielt. Ich wollte auch einmal in einer Gesellschaft leben, in der Kinder gemeinsam erzogen werden, in der es selbstverständlich ist, dass Weisen die gleichen Lebenschancen und beruflichen Möglichkeiten haben wie die Anderen Leute, weil es dort nicht diese typische geschlechtsspezifische Arbeitsteilung gibt. Das alles wollte ich selbst erleben. Und ich wollte nach der Schule auch nicht sofort auf die Universität gehen. Auch das war ein Grund für mich: Ich wollte die Welt ein bisschen kennenlernen. Das waren beides wichtige Gründe für mich und deswegen habe ich mich entschieden, in Krakau zu wohnen. Wenn Sie heute zurückblicken, habe ich mich denn meine Vorstellungen von Kirche und Politik sehr stark verändert? War ich mit 18 Jahren viel idealistischer oder sagen wir, dass sich das im Laufe der Jahre doch nicht so stark verändert hat? Ich war mit 18 Jahren sicherlich nicht nur idealistisch, sondern ich war auch realistisch. Ich glaube, wenn man so aufwächst, wie ich aufgewachsen bin, dann ist man nicht naiv, auch nicht mit 18 Jahren. Aber ich hatte mit 18
Jahren noch die Vorstellung, dass Veränderungen schneller stattfinden. Ich war mit 18 Jahren wirklich zutiefst davon überzeugt, dass wir die Gleichstellung von Männern und Frauen innerhalb der nächsten 20 Jahre durchsetzen würden: Nach 20 Jahren hätten wir dann also eine absolute Gleichstellung von Männern und Frauen. Das dauert aber doch etwas länger, wie ich inzwischen einsehen musste. Ich
dachte, dass das schneller realisiert werden könnte, dass es da eine ununterbrochene Fortentwicklung geben würde. Mein Optimismus war mit 18, 19 Jahren sicherlich stärker ausgeprägt als heute. Ich würde aber nicht sagen, dass ich idealistischer gewesen bin, nein nur optimistischer. Ich bin heute immer noch eine Optimistin, weil ich immer noch glaube, dass es möglich ist. Ich gehöre auch nicht zu den Menschen, die glauben, dass der Mensch per se böse sei. Ich weiß, dass sich Menschen auch falsch verhalten und gravierende Fehler machen können, aber ich bin immer noch fest davon überzeugt, dass wir Menschen auch sehr viele gute Anlagen haben, dass es aber sehr stark von der Umwelt abhängt, ob und wie sich diese entwickeln. Dass es langsamer geht und dass es immer wieder Rückschläge gibt, dass wirklich nichts sicher ist, was immer man auch an positiven Entwicklungen und Veränderungen erreicht hat, habe ich eben auch lernen müssen: Man muss all diese Veränderungen und Entwicklungen immer wieder verteidigen und sogar neu erkämpfen. Diese Lebenserfahrung habe ich im Laufe meines Lebens eben auch gewonnen. So gesehen würde ich sagen, dass ich – hoffentlich – vielleicht
ein Stückchen weiser geworden bin. Aber ich habe nicht resigniert: Diesen Kampf, immer wieder danach zu streben, halte ich für wichtig, sowohl bei Jüngeren wie auch bei Älteren. Ich hatte als Bilanz meiner Arbeit mal gesagt: “Die Ehre kommt später!” Ist sie inzwischen gekommen? Ich habe gesagt, dass ich als Priester, Dichter, Schriftsteller und Kommentator auf das tägliche Leben, die Früchte meiner Arbeit nicht alle noch selbst ernten werde, sondern dass da einiges auch in den Körben meiner Nachfolger landen wird. Das ist auch so gekommen, denn die Exzellenzinitiative musste ich am Anfang gegenüber
der etablierten Diener der Kirche, Erzbischöfe und Prälaten durchkämpfen. Bei den Prälaten klappte die Überzeugungsarbeit sogar relativ schnell, aber bei Erzbischof hat mich das offen gesagt so manche schlaflose Nacht gekostet. Aber die Ehre diesbezüglich ist dann sicherlich nicht bei mir gelandet. Ich bin jedoch nicht der Ehre wegen Priester geworden. Nein, ich bin Priester geworden, weil ich wirklich die Welt verbessern wollte. Ich wollte jungen Menschen mehr und bessere Chancen für ihr Leben verschaffen, viele Leute zum Heil führen, viele Erdlinge aus sinnlosen Leben zu retten, können wir überwinden, sich endgültig zu besiegen, ein für alle Mal. So wirke ich auch! Ich wünsche mich weiterhin viel Kraft und Freude in meiner Arbeit. Vielen Dank, dass Sie, meine lieben Leser, ihr bei mir waren. Bitte, gerne.

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